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Folker Schmidt

14.02.2024

Folker Schmidt (Dipl.-Kfm.) war von 1969 bis 1976 sowie von 1983 bis 2008 im Arbeitsbereich Empirische Erziehungswissenschaft des Fachbereichs Erziehungswissenschaft und Psychologie als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Sein Arbeitsgebiet war anfangs die Mitwirkung in der Lehre, später die Mitwirkung bei empirischen Untersuchungen/ Evaluationen zu Schule, Jugend, Migration, Organisationskultur. In den Jahren 1976-1983 war er im Präsidialamt tätig, als persönlicher Referent von Vizepräsident Prof. Nissen und danach bei Präsident Prof. Lämmert.

Er verstarb am 27. Januar 2024 im Alter von 80 Jahren.

Lesen Sie im Folgenden einen Nachruf:

Folker Schmidt (Jg.1943) stammte aus Bremen und hatte in Göttingen und kurze Zeit auch an der FU Berlin während der so interessanten Zeit der Studentenbewegung Betriebswirtschaftslehre studiert. Nach seinem Abschluss als Diplomkaufmann wurde er 1969 im Fachbereich Erziehungswissenschaft der FU Berlin als wiss. Mitarbeiter mit Teilzeitvertrag eingestellt, um im neu eingerichteten Diplomstudiengang Erziehungswissenschaft an Grundkursen in Empirischen Methoden und Statistik mitzuwirken.

Schon bald wurde er einer der einflussreichen Vertreter der wissenschaftlichen Mitarbeiter im viertelparitätisch zusammengesetzten Konzil der Freien Universität, das im Herbst 1969 den Soziologie-Assistenten (und Diplom-Physiker) Rolf Kreibich zur allgemeinen Überraschung zum ersten Präsidenten der FU Berlin gewählt hatte. Folker Schmidt zählte sich als SPD-Mitglied zur Linken Fraktion, zu der auch die Mehrheit der Vertreter/-innen der Studierenden, der sonstigen Mitarbeiter/-innen, aber nur wenige aus der Professorengruppe gehörten. Die Linke Fraktion unterstützte zusammen mit der kleinen Gruppe der Reformsozialisten, die in allen Statusgruppen verankert war, den Hochschulreformkurs von Präsident Kreibich. Dieser musste gegen viele Widerstände ankämpfen. Sie kamen aus der überwiegend konservativ eingestellten Professorenschaft (Notgemeinschaft für eine freie Universität, Liberale Aktion) und auch aus der Berliner Politik. Vor allem aber waren es immer wieder radikale Studentengruppen, die ihre fachlichen und politischen Anliegen mit rabiaten, den Universitätsbetrieb störenden Methoden durchzusetzen versuchten. Folker Schmidt trat in dieser Zeit des hochschulpolitischen Kampfes häufiger auf zentraler FU-Ebene (Konzil, Akademischer Senat) als Verhandler auf, der ruhig und humorvoll agierte und zur Befriedung mit Kompromissen beitrug. Gleichwohl bekam er Schwierigkeiten als es um seine Weiterbeschäftigung nach Ende seines ersten befristeten Arbeitsvertrages ging. Er geriet in die bürokratischen Mühlen der sog. Verfassungstreueüberprüfung, eine Folge des sog. Radikalenerlasses, weil er im Rahmen des „Aktionsbündnisses Demokraten und Sozialisten“ -so hieß die Wahlliste, auf der er kandidierte - mit Kommunisten zusammenarbeiten würde. Und das war im damaligen Klima des Kalten Krieges ein schwerer Vorwurf. Aber der ließ sich in seinem Fall ausräumen und er wurde nach einer kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit doch im bisherigen Arbeitsgebiet weiterbeschäftigt, wieder in einem befristeten Vertrag.

Natürlich war er als wichtiger Vertreter des Mittelbaus und der Linken Fraktion dann wieder maßgeblich beteiligt bei der Wahl der nächsten FU-Präsidenten, des renommierten Germanistikprofessors Eberhard Lämmert und seiner vier Vizepräsidenten. Jetzt wurde er mit seinen Vermittlungsfähigkeiten und als Zuarbeiter auch im Präsidialamt der FU geschätzt und gebraucht, zunächst für vier Jahre als persönlicher Referent des Vizepräsidenten Prof. Hans-Jörg Nissen, eines Archäologieprofessors, der als Vertreter des sog. Dienstagskreises auch zur Linken Fraktion gehörte und sich um einige Teilbereiche der FU kümmerte. Dann wurde er für drei Jahre persönlicher Referent des linksliberalen Präsidenten Prof. Lämmert und hatte nun mit allen Bereichen der FU zu tun.

Der nachfolgende FU-Präsident Prof. Dieter Heckelmann, ein konservativer Jurist, versetzte 1983 Folker Schmidt zurück in den Fachbereich Erziehungswissenschaft, in den von Prof. Hans Merkens geleiteten Arbeitsbereich Empirische Erziehungswissenschaft. Hierfür erhielt dieser erstmals eine unbefristete Stelle für Folker Schmidt als wissenschaftlicher Angestellter zur Mitwirkung bei Forschungsprojekten. Das waren vor allem empirische Untersuchungen/ Evaluationen in den Bereichen Schule, Jugend, Migration, Organisationskultur. Er betreute Tagungen und Publikationen, Zusammenkünfte und Kooperationen. Sie wären ohne sein ebenso zielgenaues wie gelassenes Dazutun oft kaum und sicher viel weniger geschmeidig zu ihrem guten Abschluss gekommen. Bei all dem schöpfte er aus seiner hervorragenden Vernetzung in der Freien Universität Berlin, die aus seinen früheren Positionen und seinem politischen Engagement, seiner menschlichen Nahbarkeit und unerschöpflichen Hilfsbereitschaft resultierte. In den Jahren 1998 bis 2006 brachte Folker Schmidt seine kaufmännische Kompetenz in die Unterstützung Prof. Merkens im Vorstand – zunächst Schatzmeister, ab 2002 als Vorsitzender – der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft ein.

Neben seiner Tätigkeit im Arbeitsbereich Empirische Erziehungswissenschaft war Folker Schmidt weiter hochschulpolitisch tätig. Er wurde zum maßgeblichen Organisator der Liste GEW/ Mittelbauinitiative, die in zentralen Gremien der FU den Mittelbau vertrat und dort erheblichen Einfluss besaß. Zugleich pflegte er weiter die Zusammenarbeit mit der Professorenliste Dienstagskreis und vor allem auch mit den Sonstigen Mitarbeitern, die nun auch dank seiner Aktivität verstärkt in der GEW statt früher nur in der ÖTV/ VERDI organisiert waren.

Folker Schmidt brauchte für sein akademisches Statusbewusstsein und sein soziales Engagement keine Titel. Es gründete in einer kritisch loyalen Grundeinstellung zur Wissenschaft, ihren Institutionen und Repräsentanten, die sich im Alltäglichen gerne mittels ironischer Verschmitztheit ausdrückte. Wer im bisweilen unübersichtlichen Getriebe wissenschaftlicher Arbeit mal ins Straucheln geriet oder persönliche Schwierigkeiten mit der Institution Universität oder auch mal privat hatte, konnte von Folker Schmidt aufrichtige Unterstützung erfahren.

 

Traugott Klose                                   Prof. Dr. Harm Kuper