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Podcast: Aufnahmezustand '68

Sit-In und Besetzung, Demonstration und Krawall, Ohnesorg und Dutschke.

Daran denken die meisten sofort, wenn sie das Wort „68er“ hören. Wir, der zehnte Jahrgang des Masterstudiengangs Public History, haben das fünfzigste Jubiläum dieser Bewegung zum Anlass genommen, uns auf die Spuren der 68er an der Freien Universität und darüber hinaus zu begeben. In unserem mehrteiligen Podcast versuchen wir diese facettenreiche Bewegung unter neuen Gesichtspunkten zu betrachten sowie die gefestigten Bilder aus der Zeit um bisher weniger bekannte Ereignisse und Akteurinnen und Akteure zu erweitern.

Die Geschichte der Proteste an der Freien Universität Berlin sind dabei unser Ausgangspunkt; von hier aus blicken wir auf allgemeinere gesellschaftliche Entwicklungen und Ereignisse der 68er-Bewegung.

Seminar- und Projektleitung: Dr. Nina Reusch (Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin)
Technische Beratung: Branka Pavlovic (CeDiS an der FU)
Bedanken möchten wir uns besonders bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Universitätsarchivs, die uns bei der Recherchearbeit unterstützten.

Impressum und Quellenangaben

Wer steckt hinter der Podcastserie "Aufnahmezustand ´68" - und welche Beweggründe hatten die Macherinnen und Macher? Hier kommen die studentischen Autorinnen und Autoren zu Wort. 

Almut Degener, Podcast „Der Antisemitismus der Anderen“: 

"Die (nicht nur) mediale Fokussierung auf die West-Berliner (in Mehrzahl männlichen) Studierenden um das Jahr 1968 bietet für mich persönlich kaum subjektive Anknüpfungspunkte. Obwohl ich heute selbst Studentin an der FU bin, habe ich nicht das Gefühl, dass die Lebenswelt der Studenten damals in Verbindung mit meiner eigenen Lebenswelt steht.

Umso wichtiger finde ich es, nach anderen, vergessenen oder verdrängten Perspektiven auf die Zeit um 1968 herum und auf die Studierendenbewegung zu suchen und dafür auch bewusst den Raum der FU Berlin zu verlassen: Welche Bedeutung hat 1968 für Jüdinnen und Juden, für Frauen*, für nicht-weiße Menschen, für Arbeiter*innen, für Menschen in der DDR?"


Charlotte Wittenius, Podcast „Aufnahmnezustand 68: FU Studentinnen in der 68-er Bewegung“:

"Ich denke, es ist schnell passiert, dass wir ‚die 68er Bewegung‘ romantisieren, denn oft verbindet man diese Sammlung verschiedener sozialer Bewegungen vor allem mit Schlagwörtern wie Kritisches Denken, Protest, Freiheit oder mit den großen Demonstrationen und Protestaktionen. Es tat mir ganz gut im Rahmen unserer Recherchen immer wieder zu merken, wie chaotisch und durchmischt die Studierendenbewegung an der FU war.

Besonders interessant fand ich es, Audioaufnahmen von den AStA Sitzungen anzuhören, wo durcheinandergeredet, unterbrochen, missverstanden wird, und man merkt, dass manche Sprechende selbst in ihren Ansichten schwanken. Solche Situationen brechen etwas mit dem Mythos der Bewegung und zeigen die AkteurInnen einfach als Studierende, die versuchen, etwas auf die Beine zu stellen."


Tim Winter, Podcast „Gudrun Ensslin – Zwischen FU und RAF“: 

"Studieren heißt die uns gegebenen Sachverhalte bewusst wahrzunehmen und bestehende Verhältnisse kritisch zu hinterfragen. Mag sich etwas noch so sehr etabliert und über viele Jahrzehnte in die Gewohnheitszellen der Gesellschaft eingebrannt haben - der Wunsch nach mehr Menschlichkeit und Gerechtigkeit kann stets ein Antrieb für Veränderung sein, für den Mut, Missstände aufzudecken und diesen proaktiv gegenüberzutreten.

Studierende der Freien Universität ließen sich im Sommer 1968 von dieser Maxime leiten und revoltierten gegen das Establishment und dessen als reaktionär verstandene Denkweisen. Bei der Beschäftigung mit dem Thema '68 wurde klar, dass mehr Parallelen in die angespannte Zeit von heute gezogen werden können als anfangs angenommen."


Silja Fitschen, Podcast „Studierendenproteste und deutsche Ergebenheitsadressen“:

"Die Ereignisse um das Jahr 1968 schaffen es noch heute - 50 Jahre später -, das Interesse und die Neugier von vielen, und vor allem von jungen, Menschen zu wecken. In Hinblick auf die teilweise beunruhigenden politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen wie auch die "Rückschritte" der letzten Jahre in Europa und anderswo auf der Welt stellen einige Beobachter*innen fest, dass viele Themen der '68er Bewegung in Deutschland und in anderen Ländern heute von ähnlicher Brisanz sind.

Sie werden aktuell aber auf andere Art und Weise diskutiert und verhandelt wie noch vor einigen Jahrzehnten. Bei der Beschäftigung mit der politischen Kultur der '68er stehen das eigene Identifikationspotenzial sowie die Möglichkeit zu Abgrenzung und kritischer Betrachtung in einem interessanten Spannungsverhältnis. Unsere Podcastreihe versucht dies aufzugreifen und von einer romantisierenden Sichtweise auf das Umbruchsjahr 1968 wegzukommen, um den Fokus verstärkt auf die alltäglichen Diskurse und Beschäftigungen damaliger Studierenden zu legen."


Arvid Peschel, Podcast „Der Antisemitismus der Anderen“:

"Lohnenswert ist es für mich, die öffentliche Auseinandersetzung um 1968 zu betrachten. Wie und warum so scharf und politisch um die Deutungshoheit und Aneignung der 1968er-Geschichte gefochten wird, halte ich für ein spannendes Debatten- und Aufarbeitungsthema. 

Die Recherchen in unserer Arbeitsgruppe führten uns in schwieriges Fahrwasser: Antisemitismus als Problem der deutschen Mehrheitsgesellschaft und aber auch als ein Problem innerhalb der 1968er-Bewegung zu begreifen. Dort liegen für mich Brüche von 1968 – und auch heute –:  Die mangelnde Aufarbeitung des Nationalsozialismus nach 1945 darzustellen und gleichzeitig die Widersprüchlichkeit eines aufkeimenden Antisemitismus in der Bewegung zu betrachten.

Als FU-Student finde ich die Beschäftigung mit 1968 darüberhinaus lohnenswert, weil ich hoffe, dass die Freie Universität bereit ist, einmal mehr auch auf andere Studierendenproteste (1977, 1988/89, 2003) ihrer Geschichte zu blicken. Weil sie zweifelsohne zur Universtitätsgeschichte gehören. Weil ich mir aus einer offenen Auseinandersetzung mit diesen Bewegungen und ihren Gegenbewegungen erhoffe, dass an dieser Universität neue Ideen für eine partizipative und inklusive Hochschule im 21. Jahrhundert entstehen."


Dario Treiber, Podcast „Studierendenproteste und deutsche Ergebenheitsadressen“:

"Zum fünfzigjährigen Jubiläum waren die Studierendenproteste, die unter dem Schlagwort der „68er“ ins kollektive Gedächtnis eingegangen sind, dieses Jahr in aller Munde. Die Freie Universität war ein zentraler Ausgangspunkt und Schauplatz dieser Bewegung, deren Auswirkungen auf die Gesellschaft bis heute zu spüren sind. Von Subversion und Protest ist an der Universität heute allerdings nur noch wenig zu spüren. Zwischen der Suche nach einer bezahlbaren Bleibe und dem Sammeln von Credit Points scheint wenig Platz für Diskussion und politischen Austausch zu sein.

Gerade weil anlässlich des Jubiläums so viel über die 68er geredet wurde, existiert ein unterkomplexes Bild über diese Bewegung, das dem Facettenreichtum der Proteste und ihrer Nachwirkungen nicht gerecht wird. Es gibt noch unzählige, teilweise bereits vergessene Geschichten dieser Zeit, die es noch zu schreiben gilt. Dieses Projekt kann dabei nur ein Anfang sein, unbekannte Kapitel aufzudecken und an bewegte Geschichte zu erinnern."


Johanna Thiess, Podcast „Aufnahmnezustand 68: FU Studentinnen in der 68-er Bewegung“:

"68: Da denkt man meist an vorwiegend männliche Studenten mit langen, fettigen Haaren, die Sitzblockaden machten, gegen ihre Nazi-Väter rebellierten und in Kommunen wohnten – und es fühlt sich ziemlich weit weg an. Doch wenn man sich genauer mit den vielschichtigen Akteuren und vor allem auch Akteurinnen und ihren Kämpfen auseinandersetzt und sich bewusst macht,  dass die FU – die Uni, an der ich heute studiere – Ausgangspunkt für viele davon war – dann rückt die Geschichte der 68er-Bewegung plötzlich viel näher an mich heran."


Rui-David Wegener, Podcast „FU Studentinnen in der 68-er Bewegung“

Wir haben die großartige Gelegenheit (unsere) Gesellschaft sehr weitläufig und eingängig zu Studieren
und damit die Möglichkeit, gesellschaftliche Missstände und Schieflagen zu erkennen.
Was wir heute noch von den 68er lernen können, ist gegen diese auch aktiv vorzugehen.


Ulli Engst, Podcast „Gudrun Ensslin – Zwischen FU und RAF

„Obwohl es inzwischen auch Diskussionen darüber gibt, wie viel Einfluss die Proteste der '68er tatsächlich auf die Entstehung unserer heutigen liberalen Gesellschaft gehabt haben, lässt sich kaum deren generelle historische Bedeutung bestreiten. Wir als Studierende der Freien Universtität, die in den Protesten vor 50 Jahren eine herausragende Rolle gespielt hat, sollten uns dieses "Erbes" bewusst sein und uns damit auseinandersetzen.

Viele soziale, politische, ökonomische und gesellschaftliche Fragen, die damals aufgeworfen wurden, sind auch heute noch nicht beantwortet. Die Beschäftigung mit dem historischen Hintergrund der '68er kann hierfür wichtige Anstöße liefern.“


Anna Korneeva, Podcast „Polizei“

„Die Recherchen über die Rolle der Polizei bei den Besetzungen an der FU haben mich zu vielen Entdeckungen geführt. Es war bemerkenswert, dass Massenproteste überhaupt eine neue Widerstandsform waren und niemand wusste, wie genau man damit umgehen soll. Wo sollte man aufhören und wo war eine härtere Linie sinnvoll?

Das Vorgehen der Polizei gegen Protestierende wird immer noch kritisiert. Es fehlen flexible Einsatzstrategien und Vieles kann noch nachgebessert werden. Natürlich können die Recherchen über die Epoche der 68er allein die Eskalation auf den Straßen nicht verhindern. Sie können aber ohne Zweifel dabei helfen, die Wurzeln heutiger Entwicklung der staatlichen Gewalt tiefer zu verstehen.“