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1. Einstein Lecture Dahlem: Prof. Dr. Hans Frauenfelder

Einstein, Brownian Motion, and Protein Dynamics

29.04.2005

Pünktlich zum Einstein Jahr 2005 startete am 29. April die Auftaktveranstaltung zu den Einstein Lectures Dahlem. Diese hochkarätig besetzte Vorlesungsreihe behandelt Themen aus sämtlichen wissenschaftlichen Gebieten, die von Einsteins Denken beeinflusst wurden.

„Mit den Veranstaltungen zum Einsteinjahr greifen wir die Frage auf, welchen Einfluss wissenschaftliche Erkenntnisse auf die heutige Gesellschaft ausüben“, sagte Dieter Lenzen, ehemaliger Präsident der Freien Universität. In den vergangenen Jahrzehnten sei die Zahl wissenschaftlicher Erfindungen, die den Alltag des Einzelnen betreffen, quasi explodiert. "Allein die Forschungsergebnisse von Einsteins Disziplin Physik fließen heute in nahezu jeden Lebensbereich ein", so Lenzen.

Zur Eröffnungsveranstaltung sprach der US-Physiker Hans Frauenfelder vom Los Alamos National Laboratory über „Einstein, Brownian Motion, and Protein Dynamics".

Die zweite von Einsteins drei revolutionären Arbeiten von 1905, welche die Brownsche Molekularbewegung behandelt, ist für die Physik von Proteinen höchst relevant. Proteine sind wie Arbeitstiere der Biologie, sie führen die meisten Funktionen von lebendigen Systemen aus. Die Struktur einer Vielzahl von Proteinen wurde bereits bestimmt, hauptsächlich mit Hilfe von Röntgenbeugung. An der Entwicklung dieser Technik war Max von Laue maßgeblich beteiligt. Er verbrachte einen Großteil seines Lebens in Berlin und war ein enger Freund von Einstein. Computer produzieren wunderschöne Bilder von Proteinen. Diese Bilder zeigen zwar, wie Proteine konstruiert sind, führen aber auch zu dem Eindruck, Proteine wären starr wie Kristalle. Proteine können aber nur funktionieren, wenn sie in Bewegung sind, in anderen Worten, wenn sie in verschiedenen Konformationen fluktuieren. Hier gibt es wieder eine Verbindung zu Einstein, der sehr an Fluktuationen interessiert war. Experimente mit Proteine haben die Bedeutung von Fluktuationen bewiesen und zu einer bemerkenswerten Beobachtung geführt: Große Proteinbewegungen folgen den Fluktuationen im Lösungsmittel, das die Proteine umschließt, aber sie können wesentlich langsamer sein. Diese Tatsache beweist, dass Proteine keine isolierten Maschinen sind sondern in engem Kontakt mit ihrer Umgebung arbeiten. Aber warum sind die Bewegungen der Proteine so viel langsamer als die Fluktuationen im Lösungsmittel? Die Lösung zu diesem Puzzle basiert auf der Tatsache, dass Proteine keine festgelegte, einzigartige Struktur besitzen sondern eine Vielzahl von verschiedenen Konformationen, sogenannte Unterzustände, annehmen. Die verschiedenen Unterzustände werden von Energielandschaften – einem Konstrukt in einem Hyperraum – charakterisiert. An dieser Stelle kommt die Analogie zu Einsteins Brownschen Molekularbewegungen zum Tragen. Um von einem Zustand zu einem anderen zu gelangen, sozusagen von einem geschlossenen zu einem offenen, ins Innere des Proteins führenden Tor, nimmt das Protein einen zufälligen Gang durch die Energielandschaft. Das Tor öffnet sich nicht wie eine solide Tür sondern anhand vielzähliger kleiner Schritte in der Energielandschaft. Diese Tatsache erklärt warum die Bewegungen von Proteinen langsamer sind als die Fluktuationen im Lösungsmittel. Demnach sind Einsteins Erkenntnisse höchst relevant für die Physik von Proteinen.

Hans Frauenfelder, geboren 1922, promovierte 1950 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich mit einer Dissertation über Oberflächenphysik. Von 1952 bis 1992 war er am Physik Department der University of Illinois in Urbana-Champaign und arbeitete dort auf den Gebieten der Winkelkorrelation, Paritätsverletzung, Mössbauer Effekt, und Kernphysik. Seit etwa 1970 verlegte sich sein Interesse immer mehr auf die biologische Physik, die Suche nach physikalischen Konzepten und Gesetzen in biologischen Systemen, insbesondere Proteinen.