Springe direkt zu Inhalt

Der frische West-Berliner

Arnulf Mrose, 72, war kurz vor Kennedys Besuch aus Ost-Berlin geflüchtet. Am 26. Juni 1963 konnte er somit Kennedys Rede lauschen.

04.06.2013

Arnulf Mrose studierte und promovierte an der Freien Universität.

Arnulf Mrose studierte und promovierte an der Freien Universität.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

"Wir Mathematiker gelten ja manchmal als etwas dröge, aber diesen Besuch wollte ich mir nicht entgehen lassen: John F. Kennedy an der Freien Universität! Für uns Normalstudenten gab es natürlich keine Sitzplätze, aber meine Kommilitonin – aus der später glücklicherweise meine Ehefrau wurde – und ich standen lange an und ergatterten tatsächlich Eintrittskarten.

Wir kamen aber relativ nah an die Bühne heran, auf einigen Zeitungsfotos war meine spätere Frau in ihrer weißen Bluse und dem bunten Rock gut zu erkennen. Sie verdeckte mich ein bisschen.

Die Ich-bin-ein-Berliner-Rede vom Rathaus Schöneberg habe ich nicht gehört, und auch von der Rede in Dahlem verstand ich nur Teile: Als frischgebackener West-Berliner konnte ich relativ wenig Englisch.
Denn eigentlich stamme ich aus Ost-Berlin, wuchs auf in Grünau. Doch im Osten sollte ich als Sohn eines Handelsvertreters, und damit aus Behördensicht eines Kapitalisten, nicht studieren dürfen.


Bis heute bin ich den Fluchthelfern aus dem Umfeld der Freien Universität dankbar: Sie besorgten mir einen falschen Schweizer Pass mit meinem Bild drin, einen BVG-Fahrschein, ein bisschen West-Geld und eine Beruhigungstablette – ohne die hätte ich mich wahrscheinlich bei der Kontrolle verplappert. Aber so konnte ich in West-Berlin studieren.

Als Kennedy uns Schutz versprach, da war ich sehr erleichtert, das können Sie mir glauben. Aber ich hoffte vergeblich, dass auch den eingemauerten DDR-Bürgern Erleichterung zuteil wurde. Darauf mussten sie dann noch bis 1989 warten."


Zur Person:

Arnulf Mrose, 74, hat während der fünfziger und sechziger Jahre Mathematik an der Freien Universität studiert und dort auch promoviert. Er arbeitete eine Zeit lang als wissenschaftlicher Assistent, entschied sich aber für eine Laufbahn als Lehrer. Das Schönste am Studium: Er lernte in Dahlem seine spätere Frau kennen. Sie hat beim Kennedy-Besuch Fotos gemacht, die Dias sind erhalten geblieben.

Lesen Sie mehr über die Zeitzeugen des Kennedy-Besuchs in Dahlem unter anderem im Alumni-Magazin wir der Freien Universität Berlin (PDF).