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Mit Rückenwind zum Start-up

Oft vergehen viele Jahre, bis Forschung in ein Produkt mündet – beim Anti-Viren-Nasenspray von MucosaTec soll es schneller gehen

29.04.2024

Gruppenbild der sieben Teammitglieder von MucosaTec auf der Treppe im Forschungsgebäude SupraFAB

Das MucosaTec-Team – v.l.n.r. (vorn): Prof. Daniel Lauster, Dr. Carina Fendahl, Dr. Anja Himmelstein; v.l.n.r. (hinten): Dr. Marius Hittinger, David Birreck, Seray Şahsuvar, Thomas Kuhn
Bildquelle: Marion Kuka

Was wäre, wenn man Viren abfangen könnte, noch bevor sie über die Nasenschleimhaut in den Körper eindringen? Durch einen antiviralen Schutzschild, den man sich einfach in die Nase sprüht? Eine geniale Idee, die Daniel Lauster, experimenteller Biophysiker und damals Nachwuchsgruppenleiter an der Freien Universität Berlin, im Sommer 2021 hatte – mitten in der Coronazeit.

Das fand auch die Bundesagentur für Sprunginnovationen Deutschland (SPRIN-D), die das Projekt MucBoost noch im gleichen Jahr mit 500.000 Euro förderte. In den darauffolgenden zwei Jahren konnte das Team weitere Erfolge einfahren und erhielt weitere Förderung von SPRIN-D über insgesamt vier Millionen Euro. Im November 2023 gründete Lauster, inzwischen Juniorprofessor für Biopharmazeutika am Institut für Pharmazie der Freien Universität, das Start-up MucosaTec.

Standorte im Saarland und in Berlin

Zum Gründungsteam gehören Laborleiterin Anja Himmelstein, bislang Postdoktorandin in Lausters Arbeitsgruppe, sowie Geschäftsführer Marius Hittinger. Er führte zuvor die Geschäfte von PharmBioTec, einem gemeinnützigen Unternehmen für Auftragsforschung im saarländischen Schiffweiler. Lauster und er lernten sich bei einem früheren BMBF-geförderten Projekt (MucPep) kennen. Nun ist Schiffweiler, neben Berlin, der zweite Standort von MucosaTec. Dort finden Analytik und Qualitätssicherung statt.

Anja Himmelstein im weißen Laborkittel bei Laborarbeiten

An der Sterilwerkbank im Reinraum testet Anja Himmelstein die Affinität der Wirkstoffkandidaten an Schleim.
Bildquelle: Tillmann Franzen im Auftrag von SPRIN-D

Im Zentrum des Unternehmens stehen bifunktionale Proteine, an die zwei Arten von Liganden chemisch gebunden werden: Die einen haften an bestimmten Schleimmolekülen (Mucinen) der Nasenschleimhaut. Die anderen binden spezifisch an Oberflächenstrukturen von Viruspartikeln und halten diese fest. So fest, dass sie mit dem Schleim (Mucus) über den Rachen hinuntergeschluckt und von der Magensäure schnell zersetzt werden. „Das Konstrukt funktioniert im Prinzip wie ein doppelseitiges Klebeband“, erklärt Marius Hittinger. Und es ist ziemlich universell, denn passende „Haftpunkte“ lassen sich praktisch für jede beliebige Virusart konstruieren.

Grippeviren kommen jedes Jahr

Natürlich hatte man anfangs das Coronavirus im Visier. „Aber dann kamen die Impfstoffe sowie das Medikament Paxlovid auf den Markt, und es gab weniger Bedarf an Covid-Medikamenten. Also sattelten wir auf Influenza um“, erzählt Daniel Lauster. Zuvor hatte er bereits zehn Jahre an antiviralen Nanopartikeln gegen Grippeviren geforscht. Und die Grippewelle – so viel ist sicher – kommt zuverlässig jedes Jahr.

Das Nasenspray wird eine Impfung nicht ersetzen. Es ist als Ergänzung gedacht und soll Menschen vor Ansteckung schützen, bei denen Impfungen wegen einer Immunsuppression oder eines genetischen Defektes eine geringere Wirkung zeigen als bei gesunden Menschen. Auch medizinisches Personal wird davon profitieren, denn das Weitertragen der Erreger von Patient zu Patient wird so verhindert.

Anschub von der Bundesagentur für Sprungsinnovationen

Ohne die Unterstützung von SPRIN-D, insbesondere aber auch von Profund Innovation, der Service-Einrichtung für die Förderung von Unternehmensgründungen und Innovationen in der Abteilung Forschung der Freien Universität, wäre man allerdings nie so schnell so weit gekommen, betont das Team.

„Profund hat uns in vielfältiger Weise unterstützt: angefangen bei Feedbacks zu den ersten Pitches, mit Trainings und Weiterbildungen, mietfreier Nutzung von Räumen bis hin zur Einrichtung unserer beiden neuen Labore am Institut für Pharmazie in der Kelchstraße in Berlin-Steglitz“, sagt Daniel Lauster. Dort werden bald größere Mengen des Wirkstoffs für die anstehenden Tests produziert.

Im Rahmen der Deutschen Biotechnologietage 2024 wurde MucosaTec mit dem Innovationspreis 2024 prämiert.

Im Rahmen der Deutschen Biotechnologietage 2024 wurde MucosaTec mit dem Innovationspreis 2024 prämiert.
Bildquelle: Arbeitskreis der BioRegionen

Das Team, das inzwischen sieben Angestellte hat, brennt förmlich für sein Unternehmen. Aneta Bärwolf, Leiterin von Profund Innovation, kennt das gut. „Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie sich aus einer Idee ein Geschäftsmodell entwickelt. Viel mehr beeindruckt mich aber die Veränderung, die Menschen während dieser Vorhaben durchleben: Wie die anfängliche Zurückhaltung und Skepsis der Begeisterung und dem Brennen für das Projekt weichen.“ Nur der Schlaf kam bei Daniel Lauster in den vergangen zwei Jahren recht kurz. Schließlich galt es, „nebenbei“ auch noch die eigene Forschungsgruppe am Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie der Freien Universität aufzubauen.

Infektion in-vitro um 99 Prozent reduziert

Die Wirksamkeit des Peptids gegen Influenza ist bewiesen und es wurde zum Patent angemeldet. „Bei in-vitro-Tests an menschlichen Bronchialzellen, die Mucus produzieren, wird die Infektion um 99 Prozent reduziert“, sagt Anja Himmelstein. Als nächstes wird MucosaTec untersuchen, welche Wirkstoffkonzentration am effektivsten ist. Derweil laufen erste Toxizitätsstudien, in denen belegt werden muss, dass der neue Wirkstoff nicht giftig oder gesundheitsschädlich ist.

Nun hofft das Team natürlich auf finanzstarke Investoren – vorzugsweise strategische Partner, die bereits antivirale Medikamente herstellen und verkaufen–, denn die Kosten für klinische Studien gehen bekanntlich in die Millionen. Doch Daniel Lauster ist zuversichtlich: „Schließlich bieten wir eine innovative Technologieplattform, die sich beliebig an Viren- und Bakterienspezies anpassen lässt.“

Da man inzwischen auch Mucin-Binder gefunden hat, die bei 37 Grad Celsius und einem pH-Wert von 1 rund 24 Stunden stabil bleiben, ließe sich ein solches Peptid (gegebenenfalls verkapselt) auch gegen Erreger von Magen- oder Darm-Infektionen einsetzen. Anfragen für Produktvarianten gegen Cholera sowie Noro- und Rotaviren hat das Team bereits erhalten.

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