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Wo das Feiern von Festen noch möglich ist

Felicitas Hoppe wurde mit dem Berliner Literaturpreis ausgezeichnet und auf die verbundene Gastprofessur für deutschsprachige Poetik an der Freien Universität berufen

25.03.2024

Die Autorin von „Die Nibelungen“ bei der feierlichen Preisverleihung: Felicitas Hoppe erhielt den von der Stiftung Preußische Seehandlung vergebenen Berliner Literaturpreis.

Die Autorin von „Die Nibelungen“ bei der feierlichen Preisverleihung: Felicitas Hoppe erhielt den von der Stiftung Preußische Seehandlung vergebenen Berliner Literaturpreis.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Es war eine Zeremonie mit „Pomp und Posaune“, wie es die Geehrte augenzwinkernd nannte: Bis auf den letzten Platz war der Festsaal des Roten Rathauses gefüllt, als Felicitas Hoppe den Berliner Literaturpreis entgegennahm. Es gab Grußworte vom Präsidenten der Freien Universität Berlin und dem Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Preußische Seehandlung, die den mit 30.000 Euro dotierten Preis vergibt; der Regierende Bürgermeister verlas die Begründung der Jury, ein großer Blumenstrauß wurde überreicht und hinterher Champagner ausgeschenkt, zwischendurch gab es Musik auf Flügel, Posaune und dem elektronischen Theremin.

Und doch war es ein sehr kurzweiliger Abend, nicht zuletzt dank Felicitas Hoppes Humor. Die Laudatorin, Literaturwissenschaftlerin Roxanne Phillips, wies darauf hin, dass Pippi Langstrumpf ein wichtiges Vorbild für Hoppe sei. Man merke das in den Texten, dort gebe es bisweilen eine „Albernheit, die Pippi vor Neid erblassen ließe“. Eine „geniale Lebenserfinderin“ sei Felicitas Hoppe, befand die Jury des Berliner Literaturpreises, der Regierende Bürgermeister Kai Wegner nannte sie eine „große Meisterin ihres Handwerks“, die ihre Leserinnen und Leser mit ihren Erzählungen herausfordere, ihre „Einstellungen zu hinterfragen und die Welt aus einem anderen Blick zu betrachten“.

Unter mächtigen Kronleuchtern: Die Preisverleihung fand im Großen Saal im Roten Rathaus statt.

Unter mächtigen Kronleuchtern: Die Preisverleihung fand im Großen Saal im Roten Rathaus statt.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Ein Semester lang Professorin

Der Preis habe eine besondere Bedeutung für die literarische Nachwuchsförderung, betonte Wegner. Denn mit ihm verbunden ist die Gastprofessur für deutschsprachige Poetik am Peter Szondi-Institut der Freien Universität Berlin. Diese Kombination hat Tradition, Felicitas Hoppe folgt unter anderem auf Herta Müller, Clemens J. Setz, Ilma Rakusa und zuletzt Lutz Seiler. Als Gastprofessorin wird Hoppe mit Studierenden deren eigene literarische Versuche besprechen. Universitätspräsident Günter M. Ziegler freute sich über diese Schreibwerkstatt an der Freien Universität. Hoppes Literatur „schaffe Welten, die jede Frau und jedermann aus dem Alltag hinauskatapultieren und in eine neue Welt transportieren könne“, sagte er.

Die Germanistin Roxanne Phillips hielt die Laudatio.

Die Germanistin Roxanne Phillips hielt die Laudatio.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Zu Hoppes Werken gehören Erzählungen wie im Band „Picknick der Friseure“, der ihr bereits 1996 viel Anerkennung bescherte, eine Autobiografie („Hoppe“) sowie Reiseromane wie „Pigafetta“ und „Prawda“. Mehrfach hat sie klassische Stoffe neu gedichtet, etwa „Johanna“ über Johanna von Orleans oder „Iwein Löwenritter“, die Neufassung eines mittelalterlichen Ritterromans und eines von mehreren Büchern, die Hoppe für ein junges Publikum geschrieben hat. Ebenfalls eine alte Vorlage hat ihr jüngster Roman „Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm“.

Fabelhaft erfunden

Wenn man Hoppe lese, könne man sich nicht einfach passiv dem Erzählen hingeben, warnte Roxanne Phillips in ihrer Laudatio, es brauche „Aufmerksamkeit und kritisches Engagement“. Die Rhythmik ihrer Texte entwickele einen spürbaren Sog, aber auch viele überraschende Brüche zeichneten ihre Texte aus: „Sie wechselt Tonlagen von lakonisch bis heiter plaudernd, sprunghaft und mitreißend komponiert sie unverwechselbare Sprachmelodien“, sagte die Literaturwissenschaftlerin. Die Texte führten die Leserschaft stets an der Nase herum, klängen oft wie ein Rätsel, böten aber keine Lösung an. „Wir werden gefoppt, aber nie böswillig“, so Phillips, „es handelt sich vielmehr um eine liebevolle Neckerei.“

Thereminspiel und die Moderation von Katharina Teutsch machten den Abend kurzweilig.

Thereminspiel und die Moderation von Katharina Teutsch machten den Abend kurzweilig.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Genau wie beschrieben ließ sich auch Felicitas Hoppes Dankesrede nicht einfach dechiffrieren. Sie zitierte aus dem Anfang ihrer Nibelungen-Verarbeitung, in dem es um einen Schatz geht, der in der Welt verstreut auf Entdeckung wartet, aber einen eigenen Willen hat. Am Schluss trug sie ein Gedicht aus „Prawda“ vor, ihrem Reisebericht aus den USA, bezeichnet es aber als „ein schlechtes Gedicht, dass das Gute besingt, während das Böse geschieht“. Man lernte schnell: Wenn Felicitas Hoppe ihren Satz mit „Fakt ist …“ beginnt, dann meint sie das ernst, aber aus der Überzeugung heraus, dass fiktive Wahrheiten mehr über die Realität verraten können als eine weniger fantasievolle Beschreibung. Die Jury des Berliner Literaturpreis hatte Hoppe für ihre „wilde Fabulierkunst“ gelobt, jedoch angemerkt: „Am Zustand der Wirklichkeit kann auch Felicitas Hoppes erfindungsreicher Realismus nichts ändern.“ Dafür erntete sie von der Autorin sogleich Widerspruch: Die Wirklichkeit sei nicht bloß eine Summe von Fakten, sondern schließe auch Wünsche und Träume mit ein.

Gruppenfoto mit Blumenstrauß und Urkunde (v. l.): Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler, Stiftungsvorsitzender Hans Gerhard Hannesen, Preisträgerin Felicitas Hoppe, Bürgermeister Kai Wegner.

Gruppenfoto mit Blumenstrauß und Urkunde (v. l.): Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler, Stiftungsvorsitzender Hans Gerhard Hannesen, Preisträgerin Felicitas Hoppe, Bürgermeister Kai Wegner.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Auskunft über die Wirklichkeit

Unmissverständlich schien schließlich ihr Bekenntnis zur Literatur zu sein. „Summa summarum“, begann sie etwa zur Mitte ihrer Rede, „so paradox es auch zu sein scheint, die einzig sichere Bank in diesen höchst unsicheren Zeiten ist natürlich, was sonst, die Literatur, weil sie die Einzige ist, die sich nach wie vor zutraut, jenseits von faulem Trost, von Pamphlet und Parole Auskunft über die wirkliche Welt zu geben: Ohne Willkür, ohne Parteinahme, in einem Raum, der in historischen Zeitverschiebungen denkt, in dem man aushält, dass alles auch anders sein könnte, in dem man nach wie vor von Gesprächspartnern träumt und das Feiern von Festen noch möglich ist“. 

Hoppe relativiert jedoch sofort, sie wisse aus eigener Erfahrung am besten, wie naiv diese Vorstellung inzwischen geworden sei. Denn die Literatur komme immer ein bisschen zu spät und kämpfe deshalb mit einem schlechten Gewissen, so die Autorin: „Siegfried ist tot, ich war nicht dabei.“

Weitere Informationen

Felicitas Hoppe hält ihre Antrittsvorlesung als Gastprofessorin für deutschsprachige Poetik am Peter Szondi-Institut im Rahmen des Berliner Literaturpreises der Stiftung Preußische Seehandlung am 15. Mai um 18.15 Uhr im Seminarzentrum der Freien Universität Berlin, Raum L 115, Otto-von-Simson-Str. 26, 14195 Berlin. Der Titel lautet: „APPLAUS“.