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Ein Semester, das ich nie vergessen werde

In ihrer letzten Post aus Schanghai blickt Vivi Feng auf neue Erfahrungen zurück und hofft, für das zweite Semester bald an die Fudan-Universität zurückkehren zu können

20.03.2020

Vivi Feng hat in ihrem ersten Semester viele schöne Seiten Chinas erkundet: Hier in Lijiang (丽江) in der südchinesischen Provinz Yunnan.

Vivi Feng hat in ihrem ersten Semester viele schöne Seiten Chinas erkundet: Hier in Lijiang (丽江) in der südchinesischen Provinz Yunnan.
Bildquelle: privat

Vivi Feng ist Anfang Februar vorzeitig aus China nach Deutschland zurückgekehrt – in ihrer vorherigen Post aus Schanghai hat sie von ihrer Erfahrung mit der Epidemie in China berichtet.

Leider hat das erste Semester nicht ganz so geendet, wie ich mir das vorgestellt hatte. Meine geplanten Reisen durch Asien musste ich wegen des Coronavirus absagen. Anstatt mich also in Thailand am Strand zu sonnen und Mangos und Kokosnüsse in mich reinzustopfen, verbringe ich meine freie Zeit nun zu Hause in Deutschland.

Da sich die Situation in China immer noch nicht komplett beruhigt hat und wir nicht vor dem offiziellen Semesterstart nach Schanghai zurückkehren sollen, werden wir seit Anfang März online unterrichtet. Am Anfang konnte ich mir noch nicht so ganz vorstellen, wie das funktionieren soll, aber bisher läuft es eigentlich ganz gut. Wir verwenden die Plattformen Chaoxing und Zoom. Jeden Vormittag besprechen wir per Videokonferenz über Zoom die wöchentlichen Themen mit unseren Lehrern, führen Diskussionsrunden durch und lösen unterschiedliche Aufgaben. Am Nachmittag ist dann selbstständiges Lernen mit denen auf der Plattform Chaoxing zur Verfügung gestellten Materialen angesagt. Jede Woche stehen uns unterschiedliche Texte, Audiodateien und von unseren Lehrern aufgenommene Videos zur Verfügung. Hausaufgaben reichen wir entweder direkt auf der Plattform Chaoxing ein oder schicken sie als Fotos oder Sprachnachrichten an unsere Lehrer. Die Fudan-Universität bemüht sich wirklich sehr, dass unser Studium nicht unter der Epidemie leidet.

Vivi Feng mit einer Gruppe von Freunden vor dem Jadedrachen-Schneegebirge in Lijiang.

Vivi Feng mit einer Gruppe von Freunden vor dem Jadedrachen-Schneegebirge in Lijiang.
Bildquelle: privat

Viele Blumen schmücken die Altstadt von Lijiang.

Viele Blumen schmücken die Altstadt von Lijiang.
Bildquelle: privat

Über die Möglichkeit, trotz der ungünstigen Gegebenheiten weiter zu studieren, bin ich sehr dankbar, denn ich muss zugeben, dass meine Chinesisch-Kenntnisse im ersten Semester nicht so sehr gewachsen sind, wie ich es geplant hatte. Bevor ich nach Schanghai geflogen bin, war ich sehr motiviert und dachte: Wenn ich jeden Tag nur Chinesisch rede, chinesische Serien schaue und dann noch den täglichen Chinesischunterricht habe, wird sich mein Chinesisch schnell verbessern. In der Realität hatte ich zwar tatsächlich jeden Tag Unterricht, aber ausschließlich Chinesisch geredet habe ich definitiv nicht. Stattdessen habe ich mich mit meinen internationalen Freunden auf Englisch unterhalten – oder Deutsch, denn im Sprachprogramm sind viele deutsche Studierende. Ich habe schnell gemerkt, dass ich mich mit chinesischen Studierenden anfreunden muss, um die Sprache effektiv zu üben. Jedoch war das gar nicht so leicht, denn die Wohnheime und Unterrichtsgebäude der internationalen Studierenden sind von denen der chinesischen getrennt. Zum Glück bin ich am Anfang des Semesters einer Tanzgruppe beigetreten, in der hauptsächlich chinesische Studentinnen waren. Mit einigen von ihnen habe ich mich auch außerhalb des Trainings getroffen, aber da sie alle einen sehr vollen Stundenplan haben, konnten wir uns nicht so oft sehen. Dank des intensiven Leseunterrichts ist mein Leseverständnis aber besser geworden: Jedes Mal, wenn ich jetzt einen längeren Text auf Chinesisch lesen kann, ohne Wörter nachschlagen zu müssen, freue ich mich darüber, dass ich im letzten Semester doch einiges gelernt habe.

Eine der vielen neuen Erfahrungen, die Vivi Feng in China machen konnte: reiten.

Eine der vielen neuen Erfahrungen, die Vivi Feng in China machen konnte: reiten.
Bildquelle: privat

Außerdem ist das Sprachstudium eine willkommene Abwechslung zum naturwissenschaftlichen Denken in meinem Biochemiestudium. Besonders aufregend fand ich, sehr viele Studierende kennenzulernen, die mit dem gleichen familiären Hintergrund wie ich aufgewachsen sind. Ich habe Menschen aus Japan, Philippinen, Thailand, Frankreich, England, Belgien, Finnland, Schweden und auch Deutschland kennengelernt, die in ihren Heimatländern mit chinesischen Eltern aufgewachsen sind. Es hat total Spaß gemacht, sich mit ihnen zu unterhalten und anzufreunden. Wir haben durch die chinesische Erziehung viele Gemeinsamkeiten und hatten ähnliche Probleme in der Kindheit, sodass wir uns auf einer ganz anderen Ebene verstehen konnten.

In diesem Semester habe ich nicht nur wertvolle Freundschaften geschlossen, sondern hatte auch die Möglichkeit, in China zu erkunden: Xiamen (厦门), Qiandaohu (千岛湖), Hangzhou (杭州), Nanjing (南京), Dali (大理), Lijiang (丽江) und Kunming (昆明) – zu diesen Städten bin ich während des Semesters gereist. Es war schön, andere Seiten von China zu sehen, da ich bei meinen früheren Besuchen lediglich die Heimatstädte meiner Eltern im Umland von Peking und nur wenige andere Städte besucht habe. Ich habe auch viele andere neue Erfahrungen gemacht: So habe ich das erste Mal einen Flug verpasst, bin das erste Mal ein Pferd geritten, habe Silvester an dem wohl überfülltesten Platz in Schanghai gefeiert und die Ausbreitung und Folgen einer Epidemie miterlebt. 

An Silvester ist die Aussicht besonders schön: die Skyline von Schanghai.

An Silvester ist die Aussicht besonders schön: die Skyline von Schanghai.
Bildquelle: privat

Die letzten Monate in China waren eine unglaublich schöne Zeit, in der ich auch persönlich viel gelernt habe. Hoffentlich kann ich bald wieder nach Schanghai zurückkehren, um weitere Erfahrungen sammeln zu können. Allen, die darüber nachdenken, ins Ausland zu gehen, kann ich das nur empfehlen: Es ist wirklich eine Zeit, die man nie vergessen wird.

Weitere Informationen

Das war die letzte Post aus Schanghai von Vivi Feng! Sie ist eine von elf Autorinnen und Autoren, die von ihren Auslandsstudienaufenthalten für campus.leben berichten.

Alle weiteren Beiträge von Vivi Feng finden Sie hier auf Deutsch und auf Englisch.